d’Bäcke Marie und de Bäcke Sepp

Ein Stück gelebte Geschichte aus Leibstadt

Fridolin und Anna Kramer, die Eltern von «Bäcke Sepp», kauften um 1880 die Liegenschaft Oberdorf 107. Das Obergeschoss war damals noch nicht ausgebaut, und im hinteren Teil befand sich eine Schmiede. Fridolin Kramer war ein weitsichtiger Mann mit vielen Kindern. Er liess das Haus ausbauen, richtete im nördlichen Teil eine «Handlung und Bäckerei» ein, auf der südlichen Seite befand sich die Wohnung. Im Obergeschoss entstanden die Schlafräume, und im hinteren Bereich wurden ein Ofen mit Knetmulde sowie ein Magazin eingebaut. Nebenbei wurde weiterhin Landwirtschaft betrieben.

Zudem erhielt Fridolin Kramer die Zusage, die Telefonstation mit Stöpselbetrieb zu führen – eine verantwortungsvolle Aufgabe, da die Station stets besetzt sein musste, um die wenigen Telefonverbindungen zu vermitteln. Fridolin war ausserdem während 23 Jahren Gemeindeammann von Leibstadt. Sein Büro befand sich im alten Schulhaus, direkt oberhalb seines Eigenheims.

Marie Kramer-Stefani

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Marie Kramer-Stefani (geb. 1906), besser bekannt als «d’Bäcke Marie», heiratete 1931 Josef Kramer (geb. 1900), den vierten von acht Kindern – den «Bäcke Sepp». Sie bewohnten weiterhin die elterliche Liegenschaft an der Oberdorfstrasse 107 und führten die Landwirtschaft weiter. Der Laden wurde vom Konsum übernommen.

Marie und Sepp hatten vier Kinder: Paul, Bethli, Erika und Heini. Alle halfen tatkräftig im Betrieb mit. Marie war gelernte Schneiderin und trug viel zum Haushalt bei. Sie engagierte sich im Dorfleben, etwa bei den Landfrauen und im Kirchenchor, ebenso waren beide Mitglieder im Veloclub. 1981 verstarb Sepp. Neun Jahre später, 1990, zog Marie ins Salzwirtlihaus, wo es ihr ausserordentlich gefiel. Im Januar 2005 endete ihr langes und aktives Leben – ihr Herz hat aufgehört zu schlagen.

«Mit Rock und Damenvelo um den Hallwilersee»
– Erinnerungen einer bemerkenswerten Frau

Marie Kramer-Stefani, vielen bekannt als d’Bäcke Marie, erzählt im hohen Alter von 97 Jahren aus ihrem bewegten Leben – mit wachem Geist, feinem Humor und viel Lebensfreude. In einem exklusiven Interview blickt sie zurück auf Radausflüge mit ihrem Sepp, goldene Ehrennadeln, gesellige Dorfjahre und ihre Liebe zu Schokolade und Rotwein.

Interview mit Marie Kramer-Stefani (geb. 12.11.1906)

Geführt von Bruno Vögele am 11.11.2003 – Einen Tag vor ihrem 97. Geburtstag

Marie Kramer verfolgt das Geschehen in und um das Dorf Leibstadt mit wachem Geist und bei guter Gesundheit. Es gibt kaum eine Zeitung, Broschüre oder ein Heftli, das ungelesen ihre freundlich eingerichteten Räume verlässt. Sie hat viel Freude am Leben!

Sie sind das älteste Mitglied des VCL und seit 1941 im Verein.
– Wie sind Sie dazu gekommen?
Als die Veloveteranen im Bezirk gegründet wurden, zählte mein Mann Sepp zu den Gründern. Es war fast selbstverständlich, dass auch ich diesem geselligen Verein beitrat.

– Sind Sie auch aktiv gefahren?
Nein, rennfahrende Frauen waren damals unüblich. Aber zusammen mit meinem Mann – übrigens mit Rock und Damenvelo – sind wir um den Hallwilersee gefahren, einmal sogar bis nach Basel und zurück.

– Woran erinnern Sie sich heute noch (lustige Begebenheiten)?
Mein Mann fuhr einmal mit dem Rad nach Stein zur kantonalen Delegiertenversammlung. Ich musste lange auf ihn warten, bis er gegen Morgen heimkam – mit viel «Kurvenöl» im Blut. Ich habe anlässlich der eidgenössischen Delegiertenversammlung in St. Gallen 1991 die goldene Nadel des SRB Schweiz erhalten – das hat mich sehr gefreut! (Diese Nadel steckt übrigens heute noch an meiner Sonntagsjacke.)

– Es gibt ein Foto mit Ihrem Mann Sepp (gross) und Hubertli (klein)…
Diese beiden waren enge Freunde und fuhren fast jeden Sonntag miteinander aus. Aufgrund ihres grossen Körperunterschieds fielen sie natürlich auf.

Josef Kramer und der Briefträger Hubert Vögele

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– Sie erhalten jedes Quartalsblatt und sind laufend informiert. Finden Sie die heutigen Strukturen und Ziele gut?
Ich lese alles, was mir in die Hände kommt. Am VCL-Infoblatt habe ich grosse Freude, weil ich sehe, dass im Veloclub viel läuft und ein guter Geist herrscht.

– Was kommt Ihnen in den Sinn bei folgenden Begriffen oder Namen?

  • Mountainbike
    – Ein Velo, mit dem man überall hindurch fahren kann
  • Bidon
    – Getränkebehälter
  • Velohelm
    – Hat es früher nicht gegeben
  • Sämi Zbinden
    – (zögerlich) … fährt beim VC Leibstadt
  • Alex Zülle
    – Ein guter Profi-Strassenfahrer
  • Erne August (Seres)
    – War für uns der Leibstadter Radrennfahrer
  • Ferdy Kübler – National
    – War, glaub ich, einmal Schweizermeister
  • Rennbahn Zürich-Oerlikon
    – Da war ich einmal an einem Sonntag in der offenen Rennbahn – die fuhren hinter Motoren her – es war herrlich – ich habe es genossen.

– Wann sind Sie letztmals auf dem Velo gesessen?
Das ist schon lange her – ich habe es vergessen.

– Wie kommen Sie zurecht mit Ihren Altersbeschwerden?
Der Rücken und die Beine machen mir Mühe – aber ich habe jetzt vier Räder (meinen Rollator), mit dem ich mich gut fortbewegen kann.

– Was ist Ihr Lieblingsessen und -getränk?
Crèmige Lindt-Schokolade und jeden Tag ein Glas Rotwein – das mag ich sehr.

Wir danken Ihnen herzlich für dieses Interview und wünschen Ihnen im Alterswohnheim noch viele schöne Stunden – gemeinsam mit Ihren Kolleginnen und Freunden. Mögen Sie noch viele unserer Quartalsheftli lesen und sich an den Berichten und Fotos erfreuen!

(Ende des Interviews)


Wir freuen uns über jede Erinnerung, jede Anekdote und jede Ergänzung! – Können wir gemeinsam dieses sprachliche Kulturgut bewahren? Sie dürfen sich gerne melden unter kultur@leibstadt.net oder bei Werner Hediger direkt 079 781 77 78.

Wir freuen uns sehr, wenn Sie Ihr Wissen mit uns teilen und damit für künftige Generationen sichern möchten.