Thermopal AG – Wie die erste Industrie das kleine Dorf Leibstadt umfassend veränderte

Nach einem Interview mit dem Direktor Markus Bur

Bevor die Thermopal kam, war Leibstadt ein beschauliches Bauerndorf. Mit der Gründung des Spanplattenwerks begann eine neue Ära: Arbeitsplätze entstanden, der Wohlstand wuchs – und auch die Herausforderungen liessen nicht lange auf sich warten.

Durch die Gründung des Thermopal-Spanplattenwerkes erhöhte sich das Angebot an Arbeitsplätzen, des Wohlstandes und den Steuereinnahmen in Leibstadt rapide. Zu dieser Zeit war das Untere Aaretal eine Hochburg der Holzindustrie.

Gegründet wurde die Thermopal AG 1960. Der Zweck war die Fa-brikation und Handel mit Kunststoff-Bauplatten, Folien und anderen Produkten. Hauptaktionär und Geldgeber war Hermann Krages. Als Geschäftsführer waren tätig: Bis 1963 Herr Sauter, bis 1967 Karl Häni, bis 1970 Markus Bur, danach die Herren König und Stutz.

Warum Leibstadt als Standort gewählt wurde, ist nicht genau bekannt. Produktionsziel war, Spanplatten mit einer Folie zu beschichten. Also wurde zuerst ein Spanplatten-Fabrikationsstrang aufgebaut, bestehend aus Zerspaner, Trocknungsanlage, Spänebunker, Plattenpresse, Sortieranlage, Schleifanlage und Folienpresse. Dazu gehörten auch die notwendigen Hallen und Gebäude. Es war eine gewaltige Kraftanstrengung und grosser personeller Einsatz notwendig. An manchen Tagen waren 200 Fremdmonteure auf dem Gelände. Das technische Büro samt Telefonzentrale war anfänglich in einem nahestehenden Gebäude eingemietet. Nach rund 1.5 Jahren war alles betriebsbereit. Das notwendige Personal wurde im örtlichen Umkreis sowie im nahen Grenzgebiet rekrutiert. Aber Mitarbeiter mit dem nötigen Fachwissen waren rar und wurden oft bei der Konkurrenz (Novopan, Homoplax, Bois Homogène etc.) abgeworben. Da aus fabrikationstechnischen Gründen im 3-Schichtbetrieb gearbeitet werden musste, war ein Personalstock von etwa 200 Mitarbeitern nötig. Oft klappte es nicht mit den Ablösungen, sodass Hilfskräfte von der Bauunternehmung einspringen oder die 1. Ablösung weiterarbeiten musste.

Obschon technisches Know-how aus den Schwesternwerken in Deutschland verfügbar war, gelang der Start im Werk Leibstadt nicht nach Wunsch. Die direkt beschichteten Spanplatten waren fehlerhaft und so mussten in den Folgejahren Schadenersatz bis zu 4 Mio. Franken geleistet werden. Das änderte sich als es gelang, die ersten Spanplatten mit einer Feinschicht-Oberfläche zu produzieren. Diese wurden scherzhaft «Sägemehlplatten» genannt.

Die Lärm- und Luftimmissionen gaben bei der Bevölkerung zu Reklamationen Anlass. Die Frage, warum schlussendlich Konkurs angemeldet wurde, konnte nicht allein darauf zurückzuführen sein. Gleichzeitig wurden ja auch Insolvenzverfahren über die Werke in Leutkirch, Etzbach und Scheuerfeld eingeleitet. Vermutlich war der Preiszerfall auf dem Markt sowie die erhöhten Umweltschutzauflagen die Ursachen. Hermann Krages wollte keine weiteren Investitionen mehr tätigen, obschon genügend private Liquidität vorhanden war. Auch die Novopan traf später ein ähnliches Schicksal. Dies war das Ende der Holzindustrie im Unteren Aaretal. Der schmerzliche Niedergang dieser Hochblütezeit aber auch der Ärger mit den Immissionen dürften noch vielen älteren Bewohnern in Erinnerung sein.

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